Ich bin blind. Und ich bin Mutter. Für viele Menschen passt das nicht zusammen. Und nicht nur das: Ich bin blind, ich bin Mutter und ich arbeite. Spätestens jetzt sind die meisten Menschen empört. Wie kann die nur?
Ja, ich kann. Und zwar sehr gut. Meine Kinder sind mittlerweile 16 und 18 Jahre alt. Sie haben es überlebt – das Leben mit einer blinden Mutter, die berufstätig ist. Soweit ich das erkennen kann – als Blinde ist meine Wahrnehmung schließlich eingeschränkt, so meine Miterzieher -, sind meine Kinder zu wunderbaren Menschen herangewachsen.
Damals, als meine Kinder noch klein waren, hätte das wohl keiner gedacht. Ich musste mir jede Menge freche Kommentare anhören. “Was? Eine blinde Mutter kriegt auch noch Kinder? Das schafft sie doch ohne Betreuerin gar nicht”, sagte man mir. Oder sogar: “Wie kannst du nur Kinder in die Welt setzen?” Wie selbstverständlich gingen einige Kommentatoren davon aus, dass meine Kinder ebenfalls Probleme mit den Augen haben würden. Als ich dann auch noch arbeiten ging, bekam ich zu hören: “Du hast doch nicht Kinder in die Welt gesetzt, damit du sie gleich wieder irgendwo abstellst.”
Für mich stand es nie zur Debatte, meinen Job aufzugeben. Ich bin sehr früh wieder arbeiten gegangen. Als meine Tochter ein Jahr alt war, wurde sie von einer Tagesmutter betreut. Später ging sie dann in den Kindergarten. Ich bin ein großer Fan von Krippe und Kindergarten, denn da kommen die Kleinen unter Gleichaltrige und lernen ganz andere Dinge als zu Hause, wo viele Kinder sich größtenteils unter erwachsenen Familienmitgliedern, Bekannten oder so bewegen.
Nach der Geburt meines ersten Kindes habe ich Vollzeit im Bereich Telefonmarketing gearbeitet, dann wurde ich wieder schwanger. Beim zweiten Kind nahm ich zwei Jahre Elternzeit. Wie ich das alles auf die Reihe bekomme als Mutter mit Behinderung, ist vielen schleierhaft. Deswegen habe ich auch viel Kritik geerntet.
Die kam zum einen von Eltern, deren Kinder schon lange aus dem Haus sind und die denken “Ich habe schon Kinder groß gezogen, ich weiß, wie das geht”. Sie vergessen, dass die Zeiten damals anders waren. Zum anderen sind es oft die überfürsorglichen Eltern. Sie glauben, dass ich meinem Kind schade, wenn es fremdbetreut wird. Die Betreuer, die sich mit diesen Eltern auseinandersetzen müssen, tun mir jetzt schon leid, da es ihnen keiner recht machen kann.
Und dann gibt es noch diejenigen, die gar keine Kinder haben, aber schon genaue Vorstellungen, wie sie es denn machen würden. Auf jeden Fall nicht so, wie ich es für mich gelöst habe. Bei solchen Menschen im gebärfähigen Alter denke ich einfach nur: “Leute, wir sprechen uns wieder, wenn eure Kinder auf die Welt kommen”.
Irgendwann habe ich mich von den Menschen, die mir nicht gut tun, distanziert. Leute, die auf mich herabschauen und nur darauf warten, dass ich einen Fehler mache, brauche ich in meinem Leben nicht. Was ich brauche, sind Menschen, die mit mir auf Augenhöhe kommunizieren.
Ich bin es mir wert, dass es mir gut geht. Und dazu gehört für mich, dass ich mich mit Menschen umgebe, die mir und meinem Familienleben gut tun. Ich habe das Gefühl, dass die arbeitende Frau, die arbeitende Mutter immer noch nicht in der Gesellschaft angekommen ist.
Juristisch gesehen sind wir emanzipiert, aber in den Köpfen der Menschen ist das noch nicht verankert. Doch als hoffnungslose Optimistin möchte ich daran glauben, dass auch diese Zeiten sich nach und nach ändern werden. Auch wenn es so aussieht, als sei noch eine Menge Geduld dafür erforderlich.
Lydia betreibt den Blog Lydia’s Welt.
Der Text wurde von Katharina Hoch verfasst.